Wann Tilgungs-Aussetzung Sinn macht.

Vergleich mit Fallbeispielen

Tilgungsaussetzung für Eigennutzer - lohnt sich das?

15. August 2021 von

"Tilgungsaussetzung lohnt sich nur bei vermieteten Immobilien, weil da der Steuereffekt greift." Diese oder ähnliche Pauschalaussagen hört man oft im Zusammenhang mit einer Immobilienfinanzierung. Demnach gibt die Steuer den Ausschlag, ob sich ein Finanzierungsmodell lohnt.

Aber ist der Steuereffekt wirklich der einzig entscheidende Faktor?
Oder gibt es noch andere Faktoren, die eine Rolle spielen?

In diesem Artikel wird beispielhaft dargestellt, wann sich eine Tilgungsaussetzung finanziell rechnen kann und wie sich ein steuerlicher Abzug der Schuldzinsen dabei auswirkt.

Welchem Risikoprofil verschiedene Finanzierungskonzepte und Kapitalanlagen unterliegen, wird hier nicht erörtert. Es wird auch keine Empfehlung für oder gegen ein Konzept ausgesprochen. Ziel dieses Artikels ist es lediglich, über die finanzmathematischen Zusammenhänge zu informieren.

Annahmen für die Beispiele

Hypotheken-Zinssatz

Im Folgenden wird der Gesamtaufwand für annuitätisch getilgte Darlehen mit endfällig getilgten Darlehen verglichen. Die Darlehenssumme wird exemplarisch auf 100.000 EUR gesetzt. Es werden 3 Zins-Szenarien dargestellt (jeweils konstant für die gesamte Darlehenslaufzeit):

  • Zinssatz 1,20%
    Gibt es seit ca. 2019
  • Zinssatz 3%
    Gab es z.B. 2012
  • Zinssatz 5%
    Gab es z.B. 2008

Wertentwicklung Tilgungssurrogat

Im Vergleich zum annuitätischen Darlehen wird ein endfälliges Darlehen mit gleicher Monatsrate (vor Steuer) gerechnet. Die Tilgung fließt dabei in einen Index-ETF, der Erträge thesauriert. Die Berechnungen enthalten 3 Szenarien zur jährlichen Wertentwicklung des zugrunde liegenden Index:

  • 1% Wertentwicklung
    untere Annahme
  • 4% Wertentwicklung
    mittlere Annahme
  • 6% Wertentwicklung
    obere Annahme
Mit diesen Annahmen wird sicherlich nicht die Bandbreite der möglichen Wertentwicklungen abgebildet. Die untere Marke könnte bei einem Totalverlust liegen und die obere Marke lag in der Vergangenheit bei langfristigen Anlagen auch teilweise über 6%. Der hier gewählte Rahmen zur Wertentwicklung reicht aber, um die Fragestellung dieses Artikels zu untersuchen.

Steuer

Berechnungs-Annahmen zur Steuer:

  • Ertragsteuersatz: 40%
    konstant über die gesamte Laufzeit
  • Kapitalertragsteuersatz: 26,375%
    nachgelagerte Besteuerung, keine Vorabpauschalen

Zinssatz 1,2%

 

Die aktuell (2021) niedrigen Zinsen sollen als Einstiegsbeispiel dienen. Ohne Steuereffekt liegt der zugrunde gelegte Zins bei nominal 1,20% pro Jahr.

Unter Berücksichtigung von 40% Steuerersparnis sinkt die Belastung auf 0,72% pro Jahr für den Darlehensnehmer.

Diagramm 1

Gesamtaufwand bei Zinssatz von 1,2% p.a.

Darlehenssumme: 100.000 EUR
Diagramm 1 - Vergleich Gesamtaufwand bei Zinssatz von 1,2% p.a.
Diagramm 1 – Vergleich eines Annuitäten-Darlehens mit endfälligen Darlehen mit einem konstanten Zinssatz in Höhe von 1,2% p.a. für 2 Gruppen. Gruppe 1: ohne Steuereffekt (Eigennutzung), Gruppe 2: mit Steuereffekt. Szenarien für die jährliche Wertentwicklung des Tilgungssurrogates vor Kosten und Steuern: 1% (endfällig 1%), 4% (endfällig 4%) und 6% (endfällig 6%).
FINZEPT-GRAFIK

Bei diesem Zinssatz reicht für den Eigennutzer eine Wertentwicklung im Tilgungssurrogat in Höhe von 4%, um den Gesamtaufwand unter den eines Annuitätendarlehens zu drücken. Bei einer 1-prozentigen Wertentwicklung läge der Gesamtaufwand allerdings bereits über dem eines Annuitätendarlehens.

Bei zusätzlicher Berücksichtigung des Steuereffektes werden die absoluten Werte nach unten gezogen, die Verhältnisse der Berechnungsergebnisse zueinander ändert sich aber nicht.

Zinssatz 3%

 

Was passiert, wenn man den Darlehenszins mit 3% p.a. ansetzt? Diagramm 2 zeigt das entsprechende Berechnungsergebnis.

Diagramm 2

Gesamtaufwand bei Zinssatz von 3% p.a.

Darlehenssumme: 100.000 EUR
Diagramm 2 - Vergleich Gesamtaufwand bei Zinssatz von 3% p.a.
Diagramm 2 – Vergleich eines Annuitäten-Darlehens mit endfälligen Darlehen mit einem konstanten Zinssatz in Höhe von 3% p.a. für 2 Gruppen. Gruppe 1: ohne Steuereffekt (Eigennutzung), Gruppe 2: mit Steuereffekt. Szenarien für die jährliche Wertentwicklung des Tilgungssurrogates vor Kosten: 1% (endfällig 1%), 4% (endfällig 4%) und 6% (endfällig 6%).
FINZEPT-GRAFIK

Der Eigennutzer spart mit der Tilgungsaussetzung erst bei einer Wertentwicklung von 6% p.a., ansonsten hat das annuitätische Konzept die Nase vorn.

Nach Berücksichtigung des Steuereffektes schlägt das endfällige Konzept bereits mit 4% Wertentwicklung p.a. ein Annuitätendarlehen. Mit einer Wertentwicklung von 1% p.a. ist die annuitätische Variante aber bereits deutlich günstiger.

Zinssatz 5%

 

Das nächste Beispiel zeigt, wie sich die Berechnungen mit 5% darstellen.

Diagramm 3

Gesamtaufwand bei Zinssatz von 5% p.a.

Darlehenssumme: 100.000 EUR
Diagramm 3 - Vergleich Gesamtaufwand bei Zinssatz von 5% p.a.
Diagramm 3 – Vergleich eines Annuitäten-Darlehens mit endfälligen Darlehen mit einem konstanten Zinssatz in Höhe von 5% p.a. für 2 Gruppen. Gruppe 1: ohne Steuereffekt (Eigennutzung), Gruppe 2: mit Steuereffekt. Szenarien für die jährliche Wertentwicklung des Tilgungssurrogates vor Kosten: 1% (endfällig 1%), 4% (endfällig 4%) und 6% (endfällig 6%).
FINZEPT-GRAFIK

Der Eigennutzer zahlt hier beim endfälligen Konzept selbst mit 6% Wertentwicklung p.a. noch drauf.

Mit Steuereffekt schlägt das endfällige Konzept noch bei 6% Wertentwicklung das Annuitätendarlehen. Mit weniger Wertzuwachs ist das Annuitätendarlehen aber das günstigste Modell.

Liquidität vor/nach Steuer

 

Einen Unterschied mit und ohne Steuereffekt darf man nicht verschweigen: Die Auswirkungen der Konzeptwahl auf die Liquidität.

Ohne Steuereffekt sind die hier gerechneten Beispiele in der monatlichen Belastung für den Darlehensnehmer gleich. Beim Annuitätendarlehen schrumpft zwar der Zinsanteil der Rate während der Tilgungsanteil wächst, die zu leistende Gesamtrate verändert sich aber nicht.

In Diagramm 4a und Diagramm 5a sehen Sie, wie sich die Raten Jahr für Jahr aus Zins und Tilgung zusammensetzen und wie sich die Restschuld des Darlehens entwickelt.

Diagramm 4a

Verlauf Annuitätendarlehen

Darlehenssumme: 100.000 EUR, Zinssatz: 1,2%
Diagramm 4a - Verlauf annuitätische Tilgung (Beispiel 1)
Diagramm 4a – Verlauf der Raten aufgesplittet in die Bestandteile Tilgung und Zinsen sowie der Verlauf der Restschuld für das Annuitätendarlehen aus Beispiel 1 für die ersten 15 Jahre.
FINZEPT-GRAFIK

Während sich die Aufteilung in Zins und Tilgung beim Annuitätendarlehen von Rate zu Rate verändert, bleibt die Aufteilung beim endfälligen Darlehen über die Laufzeit konstant.

Diagramm 5a

Verlauf endfälliges Darlehen

Darlehenssumme: 100.000 EUR, Zinssatz: 1,2% p.a.
Wertentwicklung: 4% p.a.
Diagramm 5a - Verlauf endfällige Tilgung (Beispiel 1)
Diagramm 5a – Verlauf der Raten aufgesplittet in die Bestandteile Tilgung, Zinsen sowie der Verlauf der Restschuld und des Sparguthabens für das endfällige Darlehen aus Beispiel 1 für die ersten 15 Jahre.
FINZEPT-GRAFIK

Der Steuereffekt wirkt sich nur auf den Zinsanteil aus. Da beim Annuitätendarlehen der Zinsanteil mit jeder Rate sinkt, geht entsprechend auch die Steuerersparnis nach unten. Es muss aber weiterhin die gleiche Rate bedient werden, wodurch die Netto-Rate nach Steuereffekt immer weiter steigt. Diagramm 4b zeigt den Verlauf für ein Annuitätendarlehen mit Steuereffekt.

Diagramm 4b

Verlauf Annuitätendarlehen mit Steuereffekt

Darlehenssumme: 100.000 EUR, Zinssatz: 1,2%
40% Ertragsteuersatz
Diagramm 4b - Verlauf annuitätische Tilgung (Beispiel 1) mit Steuereffekt
Diagramm 4b – Verlauf der Raten aufgesplittet in die Bestandteile Tilgung, Zinsen (nach Steuereffekt) und Steuereffekt sowie der Verlauf der Restschuld für das Annuitätendarlehen aus Beispiel 1 für die ersten 15 Jahre.
FINZEPT-GRAFIK

Beim endfälligen Darlehen bleibt die Aufteilung der Rate in Zins und Tilgung konstant, weshalb auch der Steuereffekt in jeder Rate gleich bleibt. Die Netto-Rate nach Steuereffekt verändert sich über die Jahre nicht. Diagramm 5b zeigt den Verlauf mit Steuereffekt bei einem endfälligen Darlehen.

Diagramm 5b

Verlauf endfälliges Darlehen mit Steuereffekt

Darlehenssumme: 100.000 EUR, Zinssatz: 1,2% p.a.
Wertentwicklung: 4% p.a., 40% Ertragsteuersatz
Diagramm 5b - Verlauf endfällige Tilgung (Beispiel 1) mit Steuereffekt
Diagramm 5b – Verlauf der Raten aufgesplittet in die Bestandteile Tilgung, Zinsen (nach Steuereffekt) und Steuereffekt sowie Verlauf der Restschuld und des Sparguthabens für das endfällige Darlehen aus Beispiel 1 für die ersten 15 Jahre.
FINZEPT-GRAFIK

Zusammenfassung und Fazit

 

Die Berechnungs-Beispiele zeigen, dass endfällig getilgte Darlehenskonzepte bei bestimmten Annahmen günstiger sind, als annuitätische Darlehen. Die steuerliche Absetzbarkeit der Darlehenszinsen spielt dabei eine Rolle, aber insbesondere das Verhältnis von Darlehens-Zins zu Wertentwicklung im Tilgungssurrogat ist auschlaggebend.

Bei dem hier verwendeten Beispiel mit einem Darlehens-Zinssatz in Höhe von 1,2% p.a. reicht eine Wertentwicklung von 4% p.a. aus, um mit einem endfälligen Darlehenskonzept einen günstigeren Gesamtaufwand zu erzielen. Das endfällige Konzept rechnet sich dabei mit und ohne Steuereffekt besser, als ein Annuitätendarlehen.

Bei dem Beispiel mit einem Darlehens-Zinssatz von 3% und einer Wertentwicklung von 4% ist ein Annuitätendarlehen ohne Steuererffekt bereits günstiger. Hier kippt das Ergebnis nur mit Steuereffekt zu Gunsten des endfälligen Konzeptes.

Bei einem Darlehens-Zinssatz von 5% reichen selbst 6% Wertentwicklung pro Jahr nicht mehr aus, um mit einem endfälligen Konzept ohne Steuereffekt etwas zu sparen.

Nich zu vergessen ist die Auswirkung des Steuereffektes auf die Liquidität. Nach Steuern steigt die monatliche Belastung aus einem Annuitätendarlehen von Rate zu Rate, während sie bei einem endfälligen Darlehen konstant bleibt. Eigennutzer verspüren diesen Effekt dagegen nicht.

Vor einer konkreten Entscheidung sollte immer – gegebenenfalls gemeinsam mit geeigneten Beratern – geprüft werden, inwieweit ein Finanzierungskonzept unter Berücksichtigung der persönlichen Risikotoleranz sowie der individuellen Situation geeignet ist.


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Über den Autor: Benjamin Rettstadt ist Gründer von FINZEPT und veröffentlicht hier im Blog Artikel zum Thema Baufinanzierung.